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Brief für Unternehmer- und Freiberufler des Monats Februar 2011


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

BFH: Fragen zur Besteuerung von Dienstwagen

2.

Rückstellung für Kosten einer Betriebsprüfung bei Großbetrieben

3.

Bekanntmachungen im elektronischen Bundesanzeiger und anderen Medien

4.

Darf ein Arbeitgeber das Aussehen der Mitarbeiter bestimmen?

5.

Pauschbeträge für Sachentnahmen 2011

6.

Neue Bescheinigung für Gebäudereiniger

7.

Organschaft: Stellungnahme des BMF lässt auf sich warten

8.

Anzahlungen: Korrektur der Umsatzsteuer erfordert Rückzahlung

9.

Konkludente Genehmigung einer Einzugsermächtigungslastschrift?

10.

Zum Nachweis der Vertretung einer GbR bei Beurkundung einer Auflassung

11.

Voraussetzungen der Klagebefugnis einer GbR

12.

Unterscheidbarkeit bei Bildzeichen

13.

Keine Anerkennung der Organschaft bei "Vergessen" des Verlustabzugs

14.

Parteifähigkeit einer im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH

15.

2011: Änderungen in gesetzlicher Unfallversicherung für Arbeitgeber

16.

IHK-Beitragspflicht trotz Gemeinnützigkeit

17.

Anspruch auf Weihnachtsgratifikation trotz Freiwilligkeitsvorbehalt

18.

Freiberufler-GmbH & Co. KG ist gewerbesteuerpflichtig

19.

Einsicht in Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

20.

Keine fristlose Kündigung bei Verzehr von Pommes Frites und Frikadellen

21.

Aktivierung von Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz

22.

Wettbewerbsverbot: Fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrags

23.

Lohndatenbank "Elena" wird auf Eis gelegt

24.

Information über Schwerbehindertenantrag innerhalb von 3 Wochen nach Kündigung

25.

Deutscher Gerichtsstand für Schadensersatzklage gegen schweizerischen Vermögensverwalter

26.

Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter ist erfolgsneutral

27.

Keine personenbedingte Kündigung bei Problemen im Umgang mit anderen

28.

Abgrenzung zu "Emmely": Rechtfertigung für fristlose Kündigung

29.

Veröffentlichungspflicht von EU-Agrarbeihilfeempfänger

30.

Änderungen von Versorgungsverträgen müssen schriftlich erfolgen

31.

AGB-Kontrolle: Pauschale Abgeltung von Überstunden kann unwirksam sein



1. BFH: Fragen zur Besteuerung von Dienstwagen

Kernproblem
Wird dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt, bemisst sich der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung typisierend mit monatlich 1 % des Pkw-Listenpreises. Kann der Wagen auch für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Sachbezug um monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer. Streit war darüber aufgekommen, ob die steuerliche Erhöhung auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Wagen nicht regelmäßig für die Fahrten zur Arbeitsstätte verwendet wird. Die Finanzverwaltung zumindest wollte diese Rechtsfolgen auch bei gelegentlicher Nutzung ziehen.

Bisherige Rechtsprechung
Ursprung der jetzt bekanntgegebenen Entscheidungsflut des Bundesfinanzhofs (BFH) war ein Urteil aus dem Jahr 2008. Hier war ein Angestellter auf dem Weg zur Arbeit mit dem Dienstwagen nachweislich nur 3,5 km zum nächsten Bahnhof gefahren und legte weitere 114,5 km mit dem Zug zurück. Dennoch wollte das Finanzamt den Sachbezug des Pkw nach der Entfernung von 118 km bemessen. Der BFH lehnte dies mit der Begründung ab, dass zwar ein Anscheinsbeweis dafür bestehe, dass der Dienstwagen für die Gesamtstrecke genutzt werde. Der sei jedoch entkräftet, wenn für eine Teilstrecke eine auf den Arbeitnehmer ausgestellte Jahres-Bahnfahrkarte vorgelegt werden könne. 3 weitere Entscheidungen des BFH haben jetzt die Wesentlichkeit der tatsächlichen Nutzung hervorgehoben.

Entscheidung
In allen 3 Sachverhalten waren die Fahrzeuge lediglich zwischen 60 und 100 Tage für Fahrten zur Arbeit genutzt worden. Der BFH bestätigte seine Rechtsprechung vom Jahr 2008 und führte aus, dass die 0,03 %-Zuschlagsregelung nur einen Korrekturposten für abziehbare Werbungskosten darstelle und sie daher nur dann und insoweit zur Anwendung käme, wie der Dienstwagen tatsächlich für solche Fahrten genutzt worden sei. Für das Gericht war insbesondere die steuerliche Vergleichbarkeit mit Gewerbetreibenden und Freiberuflern von Bedeutung, denn diese unterliegen keiner Zuschlagsregelung, sondern einer Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs, und zwar auf die Höhe der Entfernungspauschale.

Konsequenz
Das Gesetz unterstellt bei der Zuschlagsregelung von 0,03 % eine Nutzung von 15 Tagen im Monat zu jeweils 0,002 %, so dass die tatsächlichen Verwendungstage mit dem Tagessatz zu multiplizieren sind. Der Werbungskostenabzug erfolgt durch den Ansatz der Entfernungspauschale, hier folgerichtig auch mit einer gleichlautenden Anzahl der Tage. Unbedeutend für den Abzug ist, dass es sich um einen Dienstwagen handelt, für den keine eigenen Kosten entstehen.

2. Rückstellung für Kosten einer Betriebsprüfung bei Großbetrieben

Kernaussage
Nach Auffassung der Finanzverwaltung darf für die mit einer zukünftigen Betriebsprüfung zusammenhängenden Kosten keine Rückstellung mit steuerlicher Wirkung gebildet werden, sofern keine Prüfungsanordnung vorhanden ist. Der Erlass einer Prüfungsanordnung sei auch keine wertaufhellende Tatsache. Das baden-württembergische Finanzgericht entschied nun, dass bei Großbetrieben die Bildung einer Rückstellung für die Kosten einer zukünftigen Betriebsprüfung auch ohne Vorliegen einer Prüfungsanordnung zulässig ist.

Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob die klagende GmbH für die Kosten einer Betriebsprüfung eine Rückstellung bilden durfte, weil sie - aufgrund ihrer Konzernzugehörigkeit - als Großbetrieb eingestuft war. Die gebildete Rückstellung fand Eingang in die Körperschaft- und Gewerbestehererklärung der Klägerin. Das beklagte Finanzamt vertrat anlässlich einer Betriebsprüfung die Ansicht, die Rückstellung für zukünftige Betriebsprüfungskosten sein nicht anzuerkennen, weil es im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung an einer Prüfungsanordnung gefehlt habe. Gegen die entsprechenden Steuerbescheide erhob die Klägerin erfolglos Einspruch. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt, ließ aber die Revision zum BFH zu.

Entscheidung
Die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Mitwirkung bei einer Betriebsprüfung hat ihren wirtschaftlichen Bezugspunkt in der gewerblichen Tätigkeit zum Bilanzstichtag. Das Finanzgericht bejaht die Zulässigkeit einer Rückstellung für die Kosten einer zukünftigen Betriebsprüfung - auch ohne Vorliegen einer Prüfungsanordnung - mit dem Hinweis auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit von Anschlussprüfungen bei Großbetrieben. Seit Jahrzehnten ist es für Großbetriebe überwiegend wahrscheinlich, dass eine steuerliche Betriebsprüfung stattfindet. In den Jahren 2007 bis 2009 bewegte sich die Wahrscheinlichkeit bei über 75 %. Auch die Betriebsprüfungsordnung (BpO) sieht die Anschlussprüfung bei Großbetrieben als Regelfall vor. Für die Bildung einer Rückstellung ist eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichend.

Konsequenz
Die vorliegende Entscheidung ist nur auf Großbetriebe direkt anwendbar. Bei diesen kann unter Berufung auf das Urteil und das vor dem BFH anhängige Revisionsverfahren eine steuerlich wirksame Rückstellung für Kosten durch zukünftige Betriebsprüfungen gebildet werden. Ein entsprechendes Verfahren dürfte bei einem als Mittelbetrieb eingestuften Betrieb allerdings ins Leere laufen. Die Wahrscheinlichkeit, geprüft zu werden, lag für das Veranlagungsjahr 2009 bei deutlich unter 50 %. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist daher bei Mittelbetrieben nicht gegeben, so dass die Bildung einer Rückstellung hier ausscheidet.

3. Bekanntmachungen im elektronischen Bundesanzeiger und anderen Medien

Kernaussage
Sämtliche Bekanntmachungen einer Kapitalgesellschaft können beim Bundesanzeiger nicht mehr wie früher in Papierform, sondern nur noch elektronisch erfolgen; der Bundesanzeiger wird nur noch elektronisch geführt. Eine solche Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ersetzt indes nicht die Bekanntmachung durch andere Medien, wenn dies der Gesellschaftsvertrag einer GmbH so vorsieht.

Sachverhalt
Der Liquidator einer GmbH meldete deren Liquidationsbeendigung zur Eintragung ins Handelsregister an. Das Registergericht erließ eine Zwischenverfügung und beanstandete die fehlende Veröffentlichung der Auflösung der GmbH. Gemäß den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen habe diese Bekanntmachung mit Gläubigeraufruf im baden-württembergischen Stadtanzeiger zu erfolgen. Es sei jedoch lediglich eine Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vorgenommen worden, so dass der Nachweise fehle, dass das nach dem GmbH-Gesetz (§ 73 Abs. 1) vorgesehene Sperrjahr eingehalten worden sei. Die entsprechenden Belege der Veröffentlichung im Stadtanzeiger seien nachzureichen. Die dagegen gerichtete Beschwerde war zuletzt auch vor dem Oberlandesgericht Stuttgart erfolglos.

Entscheidung
Die Bekanntmachung des Schlusses der Liquidation der GmbH hätte jedenfalls auch im Stadtanzeiger Baden-Württemberg erfolgen müssen, weil der Gesellschaftsvertrag der aufgelösten GmbH dies so vorschreibt. Die Ansicht des beschwerdeführenden Liquidators, die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ersetze die Bekanntmachung durch sämtliche andere Medien, ist nicht korrekt. Aus Gründen des Schutzes des Rechtsverkehrs müssen die Bekanntmachungen einer Gesellschaft außer im elektronischen Bundesanzeiger auch in den Publikationsorganen erfolgen, die der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Nur wenn die Satzung der GmbH allein den Bundesanzeiger als Veröffentlichungsblatt bestimmt, ist die Bekanntmachung zwingend elektronisch vorzunehmen und nicht in der gedruckten Form des Bundesanzeigers. Sieht der Gesellschaftsvertrag ein weiteres Medium vor, ist dieser Anordnung zu folgen.

Konsequenz
Das GmbH-Gesetz beinhaltet in § 12 lediglich eine dahingehende Klarstellung, dass die betreffende Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen hat, wenn die GmbH in ihrem Gesellschaftsvertrag eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorsieht.

4. Darf ein Arbeitgeber das Aussehen der Mitarbeiter bestimmen?

Kernproblem
Arbeitgeber haben nicht selten den Wunsch, ein einheitliches Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter zu erzielen. Neben einer einheitlichen Dienstkleidung werden hierzu regelmäßig Vorgaben für das Aussehen aufgestellt, die im Einzelnen oftmals Streit auslösen.

Sachverhalt
Ein Arbeitgeber, der im Auftrag der Bundespolizei Fluggastkontrollen durchführt, hat seinen Mitarbeitern zusätzlich zur Dienstkleidung u. a. vorgeschrieben, Fingernägel nur einfarbig zu lackieren, die außerdem nur max. 0,5 cm die Fingerkuppe überragen dürften, und Unterwäsche zu tragen, die weiß oder in Hautfarbe sein müsse. Darüber hinaus wurde den männlichen Mitarbeitern eine nicht natürlich wirkende Haarfärbung und das Tragen von Haarersatz verboten. Hiergegen ist der Betriebsrat mit teilweisem Erfolg vorgegangen.

Entscheidung
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts verletzen einige der vom Arbeitgeber aufgestellten Vorgaben das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer und sind deshalb unwirksam. Die Trageordnung greife in die Freiheit der Arbeitnehmer ein, sich während der Arbeitszeit so zu kleiden, wie es den persönlichen Wünschen und Vorstellungen entspreche. Dieser Eingriff sei nur gerechtfertigt, wenn er zur Erreichung eines legitimen Anliegens des Arbeitgebers geeignet, erforderlich und angemessen sei. Die Vorgabe, Fingernägel nur einfarbig zu lackieren, sei schon nicht zur Erreichung des Ziels geeignet, da dieses in erster Linie durch eine einheitliche Dienstkleidung erreicht werde. Die Farbe der Fingernägel sei hierfür ersichtlich ohne Bedeutung. Dagegen sei die Vorgabe, nicht zu lange Fingernägel zu tragen, wirksam, da hierdurch eine Verletzungsgefahr bei der Kontrolle von Passagieren möglichst vermieden werden könne. Auch die Vorgabe zum Tragen von Unterwäsche sei wirksam. Denn durch das Tragen von Unterwäsche würden Blusen und Hemden geschützt und weniger schnell abgenutzt. Die Vorgabe zur Farbe der Unterwäsche sei von den Arbeitnehmern hinzunehmen, da keine erhebliche Einschränkung des Persönlichkeitsrechts vorliege. Allerdings seien die Vorschriften, die männlichen Mitarbeitern nicht natürlich wirkende Haarfärbungen und das Tragen von Haarersatz verbieten, unwirksam. Da ohnehin alle Arbeitnehmer unterschiedliche Haarfarben hätten, könne eine solche Vorgabe das einheitliche Erscheinungsbild nicht fördern. Diese sei unverhältnismäßig, da sie ohne erkennbare Rechtfertigung in die körperliche Integrität der Mitarbeiter eingreife.

Konsequenz
Arbeitgeber sollten vor Einführung einer Trageordnung für Berufskleidung in einem ersten Schritt sorgfältig prüfen, welche Regelungen für ein einheitliches Erscheinungsbild überhaupt geeignet sind. In einem zweiten Schritt ist sodann zu beurteilen, ob diese Vorgaben im Einzelfall nicht zu weit in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter eingreifen.

5. Pauschbeträge für Sachentnahmen 2011

Rechtslage
Werden Wirtschaftsgüter aus dem Unternehmen für außerbetriebliche - i. d. R. private - Zwecke entnommen, so unterliegen diese Sachentnahmen regelmäßig der Ertrags- und Umsatzbesteuerung. Zur Vereinfachung setzt das Bundesfinanzministerium (BMF) jährlich Pauschbeträge zur Ermittlung der Höhe der Entnahmen fest.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Pauschbeträge für das Jahr 2010 sind nun vom BMF veröffentlicht worden. Sie betreffen Gewerbezweige, die Einzelhandel mit Nahrungsmitteln betreiben, z. B. Bäckereien, Gaststätten etc.

Konsequenz
Die Pauschbeträge stellen Nettowerte dar. Die Umsatzsteuer (7 % bzw. 19 %) ist auf Basis dieser Werte zu ermitteln. Alternativ zum Ansatz der Pauschbeträge kommen nur Einzelaufzeichnungen in Betracht. Eine Reduzierung der Pauschbeträge, z. B. wegen Urlaub oder individueller Essgewohnheiten, ist nicht möglich.

6. Neue Bescheinigung für Gebäudereiniger

Rechtslage
Mit Wirkung vom 1.1.2011 wurde die Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf weitere Leistungen ausgedehnt, u. a. auf Gebäudereinigungsleistungen. Dies gilt allerdings nur, sofern der Leistungsempfänger selbst Gebäudereinigungsleistungen erbringt. Ist dies der Fall, so muss er die Umsatzsteuer einbehalten, anmelden und an das Finanzamt abführen. Der leistende Subunternehmer muss eine Nettorechnung ausstellen und auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft hinweisen.

Neue Verwaltungsanweisungen
Das BMF hat nun einen Vordruck (USt 1 TG) veröffentlicht, der es dem Leistungsempfänger erlaubt, nachzuweisen, dass er selbst Gebäudereiniger ist.

Konsequenzen
Legt der Leistungsempfänger seinem Subunternehmer den neuen Vordruck vor, so muss dieser, wie beschrieben, eine Nettorechnung ausstellen. Die Subunternehmer sollten allerdings nur dann netto fakturieren, wenn ihnen der Vordruck auch tatsächlich vorgelegt wird. Gebäudereinigungsfirmen, die Subunternehmer beauftragen, müssen beachten, dass sie grundsätzlich immer Schuldner der Umsatzsteuer werden, wenn die Subunternehmer im Ausland ansässig sind. In diesem Fall ist es unerheblich, ob es sich um Gebäudereinigungsleistungen handelt oder nicht.

7. Organschaft: Stellungnahme des BMF lässt auf sich warten

Kernaussage
Im Jahr 2010 Jahr sind zahlreiche Urteile zur umsatzsteuerlichen Organschaft ergangen. So hatte der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zur Organschaft bei Betriebsaufspaltungen grundsätzlich geändert. Demnach setzt die finanzielle Eingliederung, als Voraussetzung für die Organschaft, ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis voraus. Dies ist nicht gegeben, wenn die Anteile an einer Kapitalgesellschaft nicht der Personengesellschaft selbst, sondern mehreren Gesellschaftern der Personengesellschaft zuzurechnen sind.

Rechtslage
Der BFH hat seine Rechtsauffassung mit einem neuen Urteil konsequent weiter geführt. Allerdings lässt der Gerichtshof ausdrücklich offen, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft vorliegt, wenn die Mehrheit der Anteile an beiden Gesellschaften nur einem Gesellschafter zusteht. Gleiches gilt für die Frage, wie Stimmbindungs- und Beherrschungsverträge in diesem Zusammenhang zu würdigen sind. An einer Stellungnahme der Finanzverwaltung fehlte es bisher.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen hat nun mitgeteilt, dass das Bundesfinanzministerium (BMF) noch eine weitere Entscheidung des BFH abwarten wird, bevor es zur neuen Rechtsprechung Stellung bezieht. In dem anhängigen Revisionsverfahren hat der BFH darüber zu entscheiden, ob die finanzielle Eingliederung gegeben ist, wenn sich die Anteile an 2 Kapitalgesellschaften im Privatvermögen einer natürlichen Person befinden und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ein Über- und Unterordnungsverhältnis sichergestellt ist. Bis dahin finden die existierenden Verwaltungsanweisungen weiterhin Anwendung.

Konsequenzen
Bestehende Organschaftsverhältnisse sollten hinsichtlich ihres weiteren Bestandes unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung überprüft werden. Dies gilt insbesondere für bestehende Betriebsaufspaltungen und umgekehrt auch für Unternehmensstrukturen, die Charakteristika einer Organschaft aufweisen, bisher allerdings nicht als solche behandelt wurden. Dabei ist aber nicht nur die dargestellte Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung zu beachten, sondern auch diverse Urteile zur organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung. Sofern die Organschaft keine Vorteile bietet, sollte deren Beendigung angestrebt werden, da sie sich gerade in Insolvenzfällen als nachteilig erweist.

8. Anzahlungen: Korrektur der Umsatzsteuer erfordert Rückzahlung

Kernaussage
Grundsätzlich gilt in der Umsatzsteuer das Prinzip der Sollbesteuerung. Umsätze werden versteuert, wenn die Leistung erbracht wurde, unabhängig vom Zeitpunkt der Bezahlung der Forderungen. Abweichend hiervon knüpft der BFH eine Korrektur der Umsatzsteuer jedoch an tatsächliche Zahlungen.

Sachverhalt
Über das Vermögen einer GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die GmbH Anzahlungen erhalten, denen jedoch noch keine Leistungen der GmbH gegenüberstanden. Der Insolvenzverwalter entschied sich gegen die Erfüllung der den Anzahlungen zugrunde liegenden Verträge; sie wurde rückabgewickelt. Streitig war zwischen dem klagenden Insolvenzverwalter und dem beklagten Finanzamt, ob die Umsatzsteuer vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens korrigiert werden kann. Der Kläger unterlag schließlich vor dem Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung
Der BFH kommt zu einem für die Parteien überraschenden, angesichts der jüngsten Rechtsprechung jedoch zu erwartenden, Ergebnis. Mangels Rückzahlung der Anzahlungen kommt eine Korrektur der Umsatzsteuer nicht in Frage, weder vor noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Konsequenz
Der BFH führt seine Rechtsprechung zur Korrektur der Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer konsequent fort. Demnach kann eine Korrektur der Umsatzsteuer nach Vereinnahmung des Entgeltes nur erfolgen, wenn es tatsächlich zu einer Rückzahlung kommt. Dies gilt für Überzahlungen, Boni, Rabatte und nun auch für Anzahlungen. In der Praxis findet diese Rechtsprechung noch wenig Beachtung. Unternehmer, die Prüfungsrisiken entgehen wollen, sollten sich aber hierauf einstellen.

9. Konkludente Genehmigung einer Einzugsermächtigungslastschrift?

Kernaussage
Die Tatsache, dass ein Schuldner einer Belastungsbuchung trotz Kenntnis bei Weiternutzen des Kontos nicht widerspricht, enthält noch keine Billigung der Buchung. Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass im unternehmerischen Geschäftsverkehr im Einzelfall das Schaffen einer ausreichenden Kontodeckung für weitere Dispositionen für eine stillschweigende (konkludente) Genehmigung sprechen kann.

Sachverhalt
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin von der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank die Auszahlung von Beträgen, die im Oktober und November 2006 als Lastschrift von dem Girokonto der Schuldnerin abgebucht wurden. Gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten mussten Einwendungen gegen Abbuchungen binnen 6 Wochen nach Zustellung des vierteljährlich erfolgenden Rechnungsabschlusses erhoben werden. Ein Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen galt als Genehmigung. Die Beklagte hatte einen Kontoabschluss zum 31.10.2006, danach nur eine Monatsübersicht für November 2006 erstellt. Anfang 2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, noch nicht genehmigte Lastschriften nicht mehr zu genehmigen. Die Beklagte, die eine stillschweigende Vereinbarung monatlicher Abschlüsse behauptet, reichte nur die ab Dezember 2006 eingelösten Lastschriften zurück und verweigerte die Rückbuchung der beiden vorangegangenen. die hiergegen gerichtete Klage blieb schließlich erfolglos.

Entscheidung
Die Schuldnerin hat die Buchungen von Oktober und November 2006 durch schlüssiges Verhalten genehmigt. Zwar genügt zur Annahme einer konkludenten Genehmigung vor Fristablauf nicht allein die Tatsache, dass das Konto ohne Einwendungen weiter genutzt wird, d. h. mindestens einen Monat lang weitere Dispositionen auf dem Konto vorgenommen werden. Auch dürfen Banken nicht nur aufgrund des Charakters als wiederkehrende Lastschrift darauf vertrauen, dass diese genehmigt werden. Im Einzelfall kann jedoch für eine Genehmigung sprechen, dass von dem Kontoinhaber nach einer Belastung für ausreichend Deckung gesorgt wird, um andere Abbuchungen zu ermöglichen. Hier wollte der Kontoinhaber ersichtlich eine Unterdeckung des Kontos vermeiden. Da der einfachste Weg dafür ein Zurückweisen der Belastung gewesen wäre, war aus Sicht der beklagten Bank der Schluss gerechtfertigt, die Lastschrift würde genehmigt.

Konsequenz
Im Geschäftsverkehr kann ein Ausgleich fehlender Deckung aus eigenen Mitteln für eine Genehmigung ungewollter Lastschriften sprechen. Mindestens zeitgleich mit dem Ausgleich muss der Bank daher ein Widerspruch zugehen, da die Genehmigung auch vor dem gemäß Banken-AGB vereinbarten Fristablauf erfolgen kann.

10. Zum Nachweis der Vertretung einer GbR bei Beurkundung einer Auflassung

Kernaussage
Eine erwerbende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) muss in einer Auflassungsurkunde unverwechselbar als Rechtssubjekt bezeichnet sein. Das Kammergericht Berlin entschied nun, dass die Berechtigung zur Vertretung einer zum Beurkundungszeitpunkt bereits bestehenden GbR weder durch Eigenerklärungen der als Gesellschafter auftretenden Personen, noch durch eidesstattliche Versicherungen nachgewiesen werden kann.

Sachverhalt
Mit notariellem Vertrag wollten mehrere Käufer als Gesellschafter einer GbR im Mai 2008 Wohnungseigentum erwerben. Die Beteiligten bevollmächtigten einzelne Personen, die Auflassung zu erklären. Dies geschah formgemäß im Dezember 2009. Eine im Februar 2010 erlassene Zwischenverfügung des Grundbuchamtes wurde vom Kammergericht aufgehoben. Obwohl der beurkundende Notar sodann eine Ausfertigung seiner Verhandlung aus April 2010 überreichte, in der die Gesellschafter der GbR erklärten, dass im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses die GbR gegründet worden sei und obwohl die Auflassung erneut erklärt wurde, wies das Grundbuchamt die Anträge auf Eigentumsumschreibung und Löschung einer Vormerkung zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Entscheidung
Das Grundbuchamt hat die Anträge zu Recht zurückgewiesen, weil der Eintragung ein nicht rückwirkend behebbares Hindernis entgegen stand. Die zum Nachweis der Auflassung vorgelegte notarielle Urkunde aus Dezember 2009 war nicht geeignet, die Identität der GbR in erforderlicher Form nachzuweisen. Als Nachweis sind eindeutige, die Gesellschaft als unverwechselbares Rechtssubjekt identifizierende Angaben erforderlich, wie z. B. Erklärungen zu Gründungsort, -zeitpunkt, Name oder Sitz. Diese können nur entbehrlich sein, wenn gleichzeitig zur Auflassung ein notarieller Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wird. Die Kenntnis der Beteiligten ist unerheblich, eine Umdeutung der Erklärung, es solle an eine neu gegründete GbR aufgelassen werden, kommt nicht in Betracht. Die Erklärungen in der Urkunde aus April 2010 genügen zur Identifizierung ebenfalls nicht, da die Urkunde nicht geeignet ist, die Vertretungsberechtigung für die spätestens im Mai 2008 gegründete GbR festzustellen. Weder Eigenerklärungen noch eidesstattliche Versicherungen helfen, weil sie der von der Grundbuchordnung (GBO) geforderten Form nicht genügen.

Konsequenz
Vor Auflassung an eine GbR ist darauf zu achten, dass diese als unverwechselbares Rechtssubjekt identifizierbar ist. Um den Anforderungen der GBO zu genügen, sollten Erklärungen zu Gründungsort, -zeitpunkt, Name und Sitz in der Urkunde enthalten sein.

11. Voraussetzungen der Klagebefugnis einer GbR

Kernaussage
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bei der Gesamtvertretung angeordnet ist, ist nur dann klagebefugt, wenn alle Gesellschafter der Prozessführung zustimmen. Anderenfalls ist die Klage unzulässig. Das OLG Stuttgart entschied nun, dass die Frage, ob eine Verweigerungshaltung einzelner Gesellschafter rechtsmissbräuchlich ist, in einem zuerst anzustrengenden gesonderten Verfahren gegen die Verweigerer zu klären ist.

Sachverhalt
Die Beklagte ist Mieterin von mehreren Hotelappartements; heutige Eigentümerin von 22 der Appartements ist eine Familie, 11 weitere gehören jetzt einer GmbH, die zugleich Gesellschafterin der Beklagten ist. Frühere Eigentümer waren verschiedene Kapitalanleger, die - was zwischen den Parteien unstreitig ist - als "Miet-Pool" in Form einer Außen-GbR organisiert waren. In einem Vorprozess hatte die Familie diejenigen früheren Eigentümer, die nicht an sie veräußert hatten, auf Zustimmung zur Beendigung aller Mietverhältnisse verklagt. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil die Familie nicht Gesellschafterin der GbR geworden sei und damit nicht Prozesspartei sein könne. Der als "Vermietungs-GbR i. L." auftretenden Klägerin verweigerten 5 Gesellschafter, die an die Gesellschafterin der Beklagten (GmbH) verkauft hatten, die Zustimmung zu einer weiteren Prozessführung, in dem es um Räumung und Mietzinszahlung ging. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung
Für die Außen-GbR galt mangels anderweitiger Bestimmungen die gesetzlich vorgesehene Gesamtvertretungsregelung (§§ 714, 709 BGB). Damit galt der Grundsatz der Einstimmigkeit; jede Maßnahme der Geschäftsführung bedurfte der Billigung aller Gesellschafter. Ferner konnte nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sämtliche Eigentümer, die an die Gesellschafterin der Beklagten verkauft hatten, einer Prozessführung durch die Klägerin in rechtsmissbräuchlicher Weise widersprachen. Generell ist die Zustimmung zur Prozessführung verweigernder Gesellschafter in einem gesonderten Klageverfahren herbeizuführen. Die Voraussetzungen der rechtsmissbräuchlichen Zustimmungsverweigerung können nicht im Prozess mit der Beklagten geklärt werden, denn es würde über Rechte von Gesellschaftern geurteilt, die nicht am Verfahren beteiligt sind.

Konsequenz
Gegen das Urteil der Berufungsinstanz ist eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesgerichtshof anhängig. Die Entscheidung des obersten Zivilgerichts bleibt abzuwarten.

12. Unterscheidbarkeit bei Bildzeichen

Kernaussage
Neben reinen Wortzeichen können auch Bildzeichen oder eine Kombination dieser als Marken im Register eingetragen werden. Hierbei ist die für Marken besondere Bedeutung der Herkunftsfunktion zu beachten. Die Marke muss die gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen nach ihrer betrieblichen Herkunft unterscheidbar machen. Ist dies nicht gegeben, fehlt dem Kennzeichen die notwendige Unterscheidungskraft und kann nicht im Markenregister eingetragen werden.

Sachverhalt
Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung einer Bildmarke für Waren der Klasse 16 beantragt. Die Bildmarke ähnelt einem Schulheft. Sie ist rechteckig und besteht aus einem schwarzen Streifen (links) und aus einem breiten hellen Bereich (rechts). Zwischen beiden Flächen ist im oberen Bereich der Marke ein kleines rechteckige weißes Feld für Eintragungen eingefügt. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen, und zwar für Blöcke (Papier- und Schreibwaren), Notizblöcke, Schreibhefte, Notizbücher, Papierblätter (Papeteriewaren) und Kalender. Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Anmelderin zurückgewiesen. Auch die Rechtsbeschwerde vor dem BGH blieb ohne Erfolg.

Entscheidung
Das BPatG habe zur Recht angenommen, dass die Eintragung des angemeldeten Bildzeichens für die in Rede stehenden Waren wegen des Schutzhindernisses des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zu versagen sei. Bei Bildmarken, die sich in der bloßen Abbildung der Waren erschöpfen, für die der Schutz in Anspruch genommen werde, werde im Allgemeinen die erforderliche (konkrete) Unterscheidungseignung fehlen. Das Bundespatentgericht habe daher zur Recht angenommen, dass das Publikum das angemeldete Bildzeichen für die fraglichen Waren nicht als Hinweis für die betriebliche Herkunft verstehen wird. Auf dem Gebiet der betreffenden Waren würden Produkte in einer ähnlichen Aufmachung verwendet. Das Bildzeichen entspreche üblichen dekorativen Gestaltungen.

Konsequenz
Anmelder sollten ihre Marken nicht nur hinsichtlich einer registergerichtlichen Beanstandung prüfen lassen, sondern ein besonderes Augenmerk auf die Voreintragungen gleicher oder ähnlicher Marken legen. Denn eine Markenanmeldung kann ein teures Markenverletzungsverfahren nach sich ziehen. Aus diesem Grund sollten sich Anmelder zuvor markenrechtlichen von einem Patentanwalt oder Rechtsanwalt beraten lassen.

13. Keine Anerkennung der Organschaft bei "Vergessen" des Verlustabzugs

Kernproblem
Durch die Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft zwischen Tochterkapitalgesellschaft (Organgesellschaft) und Mutterunternehmen (Organträger) können Gewinne und Verluste zweier rechtlich selbstständiger Unternehmen miteinander verrechnet werden. Voraussetzung hierfür ist neben der finanziellen Eingliederung (Stimmrechtsmehrheit) insbesondere auch der Abschluss und die tatsächliche Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrages (EAV) über mindestens 5 Jahre. Dies gebietet u. a., dass die Organgesellschaft nicht einen höheren als den gesetzlich zulässigen und im EAV bestimmten Gewinn an den Organträger abführt. Ein Verstoß liegt vor, wenn der Gewinn der Organgesellschaft nicht zunächst mit einem vororganschaftlich entstandenen handelsrechtlichen Verlustvortrag verrechnet wird. Streitig war bislang, ob das "Vergessen" eines solchen Verlustabzugs als geringfügiger und danach unbeachtlicher Verstoß gegen eine Nebenpflicht des EAV angesehen werden kann.

Sachverhalt
Die klagende Kommanditgesellschaft und ihre Tochter-GmbH schlossen rückwirkend auf den 1.1.1998 einen EAV. Zu diesem Stichtag hatte die Tochtergesellschaft einen Verlustvortrag von ca. 5,6 Mio. EUR, der sich in 1998 um weitere Verluste von 2,6 Mio. EUR erhöhte. In 1999 erzielte die GmbH sodann einen Gewinn von 2,8 Mio. EUR, den sie - anstatt ihn mit dem Verlustvortrag zu verrechnen - an die Muttergesellschaft abführte. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das beklagte Finanzamt die Auffassung, dass damit der EAV nicht wirksam durchgeführt sei, mit der Folge, dass die Organschaft (von Anfang an) steuerlich nicht anzuerkennen sei. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung
Die Auffassungen im Schrifttum, wonach das "Vergessen" der vorrangigen Verrechnung der Gewinnabführung mit einem Verlustvortrag als geringfügiger und deswegen unbeachtlicher Verstoß gegen eine Nebenpflicht des EAV zu behandeln sei, lehnt der BFH bereits dem Grunde nach und damit ohne Rücksicht auf die Höhe des Verlustvortrags ab. Da der EAV damit nicht über den grundsätzlich gebotenen Zeitraum von 5 Jahren tatsächlich durchgeführt sei, scheitere die Anerkennung der Organschaft von Anfang an.

Konsequenz
Es ist zu bedauern, dass der BFH, ohne den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausreichend zu erörtern, das Vergessen des Abzugs des Verlustvortrags als schädlichen Vorgang ansieht. In der Praxis ist daher der sorgfältigen und gewissenhaften Durchführung des EAV höchste Aufmerksamkeit zu widmen, um unliebsame steuerliche Konsequenzen zu vermeiden. Entschärfend wirkt hingegen die Aussage des BFH, dass eine Heilung des Verstoßes ggf. durch rückwirkende Bilanzberichtigung weiterhin möglich bleibt.

14. Parteifähigkeit einer im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH

Kernaussage
Eine GmbH, deren letzter Geschäftsführer sein Amt niederlegt, ist nicht mehr prozessfähig und eine gegen sie gerichtete Klage ist mangels gesetzlicher Vertretung unzulässig. Daran ändert auch die gesetzliche Bestimmung, wonach der Gesellschaft beim Fehlen eines Geschäftsführers Schriftstücke zugestellt werden können, nichts (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG in der Fassung des MoMiG). Durch die Löschung einer vermögenslosen GmbH kann diese mangels Rechtsfähigkeit nicht mehr Partei eines Rechtsstreits sein. Sie bleibt jedoch parteifähig, wenn der Kläger substantiiert behauptet, dass bei der Gesellschaft noch Vermögen vorhanden sei.

Sachverhalt
Die 5 Beklagten sind Kommanditisten einer GmbH & Co. KG in Liquidation. Die weitere Beklagte, eine GmbH, ist bzw. war deren persönlich haftende Gesellschafterin. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass Gesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Beschluss aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können. Auf dieser Grundlage wurde gegenüber dem Kläger dessen Ausschluss aus der Gesellschaft erklärt. Der Kläger erhob Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen diesem Beschluss; zuvor hatte der einzige Geschäftsführer der beklagten GmbH in der Gesellschafterversammlung mitgeteilt, sein Amt als Geschäftsführer niederzulegen. Das OLG hatte die Klage als unzulässig abgewiesen; auf die Revision des Klägers verwies der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Entscheidung
Die GmbH war nicht mehr prozessfähig, da sie mit der Amtsniederlegung des einzigen Geschäftsführers ihren gesetzlichen Vertreter verloren hat. Nach den gesetzlichen Bestimmungen werden lediglich Zustellungsmängel geheilt (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG), nicht aber die Grundsätze der Prozessfähigkeit geändert, denn die Prozessführung beinhaltet auch, dass Willenserklärungen mit Wirkung für die Gesellschaft abgegeben werden können. Das OLG hätte daher auf die Möglichkeit der Bestellung eines Prozesspflegers oder eines Notgeschäftsführers hinweisen müssen. Der BGH gab zu bedenken, dass der beklagten GmbH auch gänzlich die Parteifähigkeit fehlen könne, denn die Löschung einer vermögenslosen GmbH hat zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert. Die Gesellschaft ist dann materiell-rechtlich nicht mehr existent. Bestehen allerdings Anhaltspunkte dafür, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig.

Konsequenz
Die Entscheidung verdeutlicht, das die durch das MoMiG eingeführten Regelungen zur Vermeidung der Führungslosigkeit einer GmbH nur punktuell wirken. Legt der Geschäftsführer jedoch sein Amt zur Unzeit nieder und kommen die Gesellschafter ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers nicht nach, drohen Schadensersatzansprüche der Gesellschaft und ggf. sogar der Gläubiger.

15. 2011: Änderungen in gesetzlicher Unfallversicherung für Arbeitgeber

Kernthema
Die Regelungen zur betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung in der gesetzlichen Unfallversicherung ändern sich für Kleinbetriebe (< 10 Beschäftigte) ab dem 1.1.2011. Während die bisherige Regelung feste Einsatzzeiten für Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit vorsah, gelten ab dem 1.1.2011 teilweise Leistungskataloge, aus denen sich die notwendigen personellen Ressourcen ableiten lassen. Die Neuregelungen ab 1.1.2011 im Einzelnen:

Bis zu 10 Beschäftigte:
Der Unternehmer kann sich nach Wahl entweder selbst in Fragen des Arbeitsschutzes schulen lassen (sog. alternative Betreuung) oder sich für die Regelbetreuung entscheiden (je nach Gefährdungslage im Betrieb im Abstand von 1 bis 5 Jahren zu wiederholende Grundbetreuung und verpflichtende, aber anlassbezogene Betreuung bei bestimmten per Katalog festgeschriebenen Ereignissen).

Mehr als 50 Beschäftigte:
Änderungen in der Regelbetreuung. Diese besteht aus einer Grundbetreuung und einer betriebsspezifischen Betreuung. Für die Grundbetreuung (= grundlegende Aufgaben im Arbeitsschutz, wie Gefährdungsbeurteilung und Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes) gelten feste Einsatzzeiten je Beschäftigten, die der Unternehmer auf Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit verteilt. Die betriebsspezifische Betreuung betrifft besondere Risiken und Verhältnisse des Unternehmens und umfasst Aufgabenfelder wie Sicherheitsfragen bei der Beschaffung neuer Maschinen oder Weiterentwicklung des betrieblichen Gesundheitsmanagements.

11 bis 50 Beschäftigte:
Die Beschäftigten können zwischen alternativer Betreuung und Regelbetreuung wählen, wenn ihre Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse keine niedrigere Beschäftigtenzahl als Grenze für die Wahlmöglichkeit bestimmt hat.

16. IHK-Beitragspflicht trotz Gemeinnützigkeit

Kernaussage
Handelsgesellschaften, die außer ihrer gemeinnützigen Tätigkeit auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führen und insoweit gewerbesteuerpflichtig sind, sind kraft Gesetzes Mitglieder der Industrie- und Handelskammer (IHK) und damit beitragspflichtig.

Sachverhalt
Die "cusanus trägergesellschaft trier mbh" (ctt) hatte gegen die Erhebung von Kammerbeiträgen durch die IHK Trier geklagt und sich darauf berufen, als gemeinnützige Körperschaft nicht Mitglied der IHK zu sein. Die beklagte IHK stützte die Beitragserhebung darauf, dass die Klägerin ausweislich der dafür verbindlichen Mitteilung des Finanzamtes trotz bestehender Gemeinnützigkeit auch gewerbesteuerpflichtig sei. Das Trierer Verwaltungsgericht folgte der Auffassung der IHK und wies die Klage ab.

Entscheidung
Die zur Gewerbesteuer veranlagte Klägerin ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts kraft Gesetzes Mitglied der IHK. Zwar sehen die Bestimmungen im Gewerbesteuergesetz eine Befreiung von der Gewerbesteuer für gemeinnützige Körperschaften vor. Die Steuerfreiheit gilt jedoch insoweit nicht, als auch ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb geführt wird; dies war bei der Klägerin der Fall. Maßgebend und für die beklagte IHK bindend, seien insoweit die Feststellungen des Finanzamtes zur Gewerbesteuerpflicht der Klägerin für die Unterhaltung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes.

Konsequenz
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; die Beteiligten können zurzeit noch die Zulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen. Ob das Urteil also überprüft wird, bleibt abzuwarten.

17. Anspruch auf Weihnachtsgratifikation trotz Freiwilligkeitsvorbehalt

Kernfrage
Gewährt ein Arbeitgeber wiederholt eine konkrete Leistung auf freiwilliger Basis, also ohne dass eine entsprechende vertragliche Regelung besteht, kann daraus ein Anspruch des Arbeitnehmers entstehen, der auch einklagbar ist. Um dies zu vermeiden, sehen Arbeitsverträge regelmäßig sogenannte Freiwilligkeitsklauseln vor, die inhaltlich aussagen, dass die wiederholte Leistungsgewährung gerade freiwillig, also ohne Rechtsanspruch gewährt werden soll. Diese Freiwilligkeitsklauseln sind in jüngerer Vergangenheit vermehrt Gegenstand von Entscheidungen der Arbeitsgerichte gewesen. Jüngst hat nun das Bundesarbeitsgericht eine solche Frage entschieden.

Sachverhalt
Der Kläger hatte zumindest in den Jahren 2002 bis 2007 jeweils Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts erhalten, ohne dass bei der Zahlung ein ausdrücklicher Vorbehalt der Freiwilligkeit erklärt worden war. Wegen der Wirtschaftskrise verweigerte der Arbeitgeber unter Hinweis auf eine Freiwilligkeitsklausel im Arbeitsvertrag eine Zahlung für 2008. Die Klausel lautete: "Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar." Mit seiner Klage verlangte der Arbeitnehmer Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2008.

Entscheidung
Der Kläger bekam schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht Recht. Die Klausel im Arbeitsvertrag sei unklar und mehrdeutig. Sie könne auch so verstanden werden, dass der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld freiwillig zahle. Dafür spreche auch die Verwendung des Wortes "Widerruf", das voraussetze, dass zunächst ein Anspruch bestanden habe.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die Notwendigkeit präziser Formulierungen im Arbeitsvertrag. Geht eine Auslegung zu Lasten des Arbeitgebers aus, ist der Anspruch des Arbeitnehmers dem Grunde nach nicht zu verhindern.

18. Freiberufler-GmbH & Co. KG ist gewerbesteuerpflichtig

Kernproblem
Die Gesellschafter einer Personengesellschaft erzielen nur dann Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Voraussetzung hierfür ist die persönliche Berufsqualifikation und eine berufsbezogene Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Typische selbstständige Tätigkeiten werden ausgeführt von Rechtsanwälten, Ärzten, Architekten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Ist nur einer der Gesellschafter der Personengesellschaft nicht selbstständig tätig, so erzielen sämtliche Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb (sog. Abfärbetheorie). Eine Aufteilung der Einkünfte in freiberufliche und (für den Berufsfremden) in solche aus Gewerbebetrieben ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht möglich. Gegenstand eines Finanzgerichtsverfahrens war nunmehr (erneut) die Frage, ob auch die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft dazu führt, dass letztere Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und folglich auch gewerbesteuerpflichtig ist.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, wurde ab 2008 in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geführt. Einzige Komplementärin und somit persönlich haftende Gesellschafterin war eine nicht am Kapital beteiligte GmbH, die im Gegensatz zu einer "typischen" GmbH & Co. KG nicht zur Geschäftsführung befugt war. Nach Auffassung des beklagten Finanzamts erzielte die Klägerin aufgrund der Beteiligung der GmbH als Komplementärin insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und war folglich auch gewerbesteuerpflichtig. Die Klägerin begehrte hingegen eine Qualifizierung der Einkünfte als solche aus freiberuflicher Tätigkeit und unterlag.

Entscheidung
Das Finanzgericht Düsseldorf bestätigte die bisherige Rechtsprechung des BFH, wonach die Gesellschafter einer Personengesellschaft nur dann freiberufliche Einkünfte erzielen, wenn sämtliche Gesellschafter freiberuflich tätig sind. Bereits die Beteiligung nur eines Berufsfremden ist schädlich, wobei die mitunternehmerische Beteiligung einer Kapitalgesellschaft dem Berufsfremden gleichgestellt ist. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht für Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG.

Konsequenzen
Das Urteil steht in Einklang mit der Auffassung der Finanzverwaltung, die die allgemeinen Grundsätze auch für Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG anwenden will. Das Finanzgericht hat die Revision beim BFH zugelassen, die letztinstanzliche Entscheidung bleibt also abzuwarten.

19. Einsicht in Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Kernfrage
Dem Grunde nach enden die wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit dessen Beendigung. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in der Form seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung über den Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus wirkt und den Arbeitnehmer schützt.

Sachverhalt
Die Parteien hatten sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses um das Zeugnis für den Kläger gestritten. Dabei warf der beklagte Arbeitgeber dem klagenden Arbeitnehmer unter Bezugnahme auf dessen Personalakte Illoyalität vor, worauf hin der Arbeitnehmer Einsicht in seine Personalakte verlangte, die ihm verweigert wurde. Seinen mit der Klage verfolgten Einsichtnahmeanspruch begründete er mit einer Vorschrift des Bundesdatenschutzgesetzes (Auskunfts- und Einsichtnahmeanspruch, § 34 BDSG) und gewann vor dem Bundesarbeitsgericht.

Entscheidung
Arbeitnehmer können auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse daran haben, den Inhalt ihrer fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Anspruch folge allerdings nicht aus dem Bundesdatenschutzgesetz, sondern gründet sich auf die vertragliche Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers. Diese gebietet es, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, hier in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, wie datenschutzrechtliche Fragestellungen im Arbeitsrecht an Bedeutung gewinnen. Sie zeigt außerdem, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung über das Arbeitsverhältnis hinaus wirkt.

20. Keine fristlose Kündigung bei Verzehr von Pommes Frites und Frikadellen

Rechtslage
Die "Emmely"-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat dazu geführt, dass der im Arbeitsrecht geltende Grundsatz, dass eine Straftat zu Lasten des Arbeitgebers unabhängig von der Schadenshöhe und unabhängig von der Betriebszugehörigkeit immer die fristlose Kündigung auslöst, aufgeweicht worden ist. Seit Emmely kann insbesondere die langjährige Betriebszugehörigkeit eine Interessenabwägung erforderlich machen, die zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen kann. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte jetzt im Geltungsbereich der Emmely-Entscheidung zu urteilen.

Sachverhalt
Der 50-jährige Kläger war 19 Jahre beim Arbeitgeber in der Kantine beschäftigt. Der Arbeitgeber warf ihm vor, trotz bestehender Weisungen bei einem Durchgang durch die Küche Pommes frites sowie 2 Frikadellen zum Verzehr an sich genommen zu haben, ohne diese zu bezahlen. Nachdem der Kläger, auf den Vorfall angesprochen, auch noch unkooperativ war, kündigte der Arbeitgeber wegen dieses Vorfalls außerordentlich fristlos sowie hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist und bewertete das Verhalten des Klägers als Diebstahl; zumindest bestehe ein Diebstahlverdacht.

Entscheidung
Der Arbeitgeber unterlag zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht. Selbst wenn der Sachverhalt als unstreitig und wahr angenommen werden müsse, könne der Vorfall in der vorliegenden Konstellation keinen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darstellen. Insbesondere die 19-jährige Betriebszugehörigkeit und der Umstand, dass der Kläger nach geltenden Tarifverträgen nur noch außerordentlich kündbar sei, ließen eine Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausfallen. Auch das unkooperative Verhalten im Anschluss an den Vorfall sei nicht für eine fristlose Kündigung geeignet. Als milderes Mittel hätte zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen.

Konsequenz
Die Entscheidung liegt auf der Emmely Linie. Jedenfalls bei "geringeren" Delikten wird heute eine Interessenabwägung erforderlich sein, bevor eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann. Bei sehr langer Betriebszugehörigkeit wird diese wohl zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen.

21. Aktivierung von Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz

Kernfrage
Wann sind Steuererstattungsansprüche zu bilanzieren? Diese Frage und dabei insbesondere die Klärung der einzunehmenden Perspektive (wirtschaftliche oder rechtliche Betrachtungsweise), beschäftigte kürzlich das Finanzgericht Düsseldorf.

Sachverhalt
Am 17.2.2005 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Erlöse aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten umsatzsteuerfrei zu behandeln sind. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte in der Folge eine Steuerforderung betreffend die Rückzahlung von Umsatzsteuer in der Steuerfestsetzung für die betroffene - klagende - GmbH in 2005. Es ging hierbei insbesondere um erst in 2006 erstattete Umsatzsteuer für 2004 in der Bilanz des Jahres 2005. Ein geänderter Umsatzsteuerbescheid für 2004 lag zum Aufstellungszeitpunkt nicht vor, wohl aber geänderte Umsatzsteuerbescheide der Vorjahre bis 2003.

Entscheidung
Steuerliche Brisanz hat die Berücksichtigung der zu erwartenden Umsatzsteuererstattungsansprüche des Jahres 2004 in der Bilanz 2005, obwohl bis zur Bilanzaufstellung noch kein entsprechender Bescheid ergangen war, der den Erstattungsanspruch dokumentierte. Das Finanzgericht Düsseldorf begründet die Entscheidung mit der Ermittlung des Gewinns der klagenden GmbH nach dem Betriebsvermögensvergleich, in dessen Rahmen eine nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtete, durchsetzbare Forderung zu aktivieren ist. Indiz für die Steuerforderung aus Umsatzsteuer 2004 waren die bereits vorliegenden geänderten Vorjahresbescheide zur Umsatzsteuer bis einschließlich 2003. In jedem Falle waren die Forderungen auf Umsatzsteuererstattung bis zu dem Zeitpunkt des EuGH-Urteils noch streitig und somit nicht anzusetzen. Nach dem EuGH-Urteil aber konnte die GmbH nach der Argumentation des Gerichts damit rechnen, dass in der Zukunft auch für das Jahr 2004 eine geänderte Umsatzsteuerfestsetzung ergehen würde.

Konsequenz
Die Finanzverwaltung hat sich, insoweit dies mit dem entschiedenen Fall vergleichbare Fälle betrifft, zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise bekannt. Daher sind bei Aufstellung des Jahresabschlusses sowie der Steuerbilanz vorhandene Steuerbescheide ggf. auf ihre "Beständigkeit" zu prüfen, insbesondere, wenn sie, wie im entschiedenen Fall, ertragsteuerlich relevante Steuern wie die Umsatzsteuer betreffen.

22. Wettbewerbsverbot: Fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrags

Kernaussage
Verstößt ein Handelsvertreter nur geringfügig gegen ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot, berechtigt dieses Verhalten nicht - zumindest nicht ohne vorherige Abmahnung - zur fristlosen Kündigung. Selbst dann nicht, wenn der Wettbewerbsverstoß als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vertraglich benannt ist.

Sachverhalt
Der Kläger vermittelte seit über 22 Jahren als selbstständiger Handelsvertreter Versicherungsverträge für die Beklagte. Ihm war vertraglich verboten, während des Vertragsverhältnisses unmittelbar oder mittelbar für andere Versicherungsgesellschaften tätig zu werden. Im Vertrag war ausdrücklich vereinbart, dass ein Verstoß gegen dieses Wettbewerbsverbot einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung begründe. Im Herbst 2006 erfuhr die Beklagte, dass der Kläger etwa 10 Kfz-Versicherungsverträge von 5 Kunden an Konkurrenzunternehmen vermittelt hatte, nachdem die Beklagte diese gekündigt hatte. Die Beklagte kündigte den Handelsvertretervertrag daraufhin fristlos. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

Entscheidung
Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung lag nicht vor. Die Wettbewerbsverstöße des Klägers waren so geringfügig, dass sie einen grundlegenden Vertrauensverlust zwischen Unternehmer und Handelsvertreter nicht herbeiführen konnten und damit von vornherein nicht unter die Vertragsregelung über wichtige Kündigungsgründe fielen. Zwar kann die Benennung von wichtigen Kündigungsgründen im Handelsvertretervertrag die ansonsten gebotene Zumutbarkeitsprüfung einschränken oder ganz ausschließen. Dennoch hat eine Einzelfallprüfung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben hinsichtlich des Eintritts der Vertragsklausel zu erfolgen.

Konsequenz
Interessen- und Zumutbarkeitserwägungen sind nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die Parteien wichtige Kündigungsgründe im Vertrag benennen. Bei der Vertragsgestaltung sind Kündigungsklauseln daher genau zu formulieren. Vor einer fristlosen Kündigung sollte eine sorgfältige Prüfung erfolgen und ggf. eine Abmahnung ausgesprochen werden.

23. Lohndatenbank "Elena" wird auf Eis gelegt

Einleitung
Rund 3 Mio. Arbeitgeber stellen Jahr für Jahr etwa 60 Mio. Bescheinigungen in Papierform aus. Diese Nachweise benötigen ihre Beschäftigten, um gegenüber öffentlichen Stellen die Voraussetzungen für den Bezug einer bestimmten Leistung nachweisen zu können. So ermittelt beispielsweise die Arbeitsverwaltung auf der Grundlage der vom Arbeitgeber ausgestellten Arbeitsbescheinigung den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Zwischen der elektronischen Personalverwaltung des Arbeitgebers und der elektronischen Sachbearbeitung in den Behörden klafft eine Lücke, die weiterhin durch den traditionellen Informationsträger Papier überbrückt wird. Dieser Medienbruch sollte durch den "elektronischen Entgeltnachweis" (ELENA) beseitigt werden. Außerdem sollten die Unternehmen durch dieses Verfahren um hohe Bürokratiekosten entlastet werden.

Verfahrensweise
Im Rahmen des ELENA-Verfahrens sollen die Arbeitgeber jeden Monat einen gesetzlich festgelegten Datensatz in verschlüsselter Form an eine speichernde Stelle übermitteln. Dieser Datensatz enthält die notwendigen Angaben für die jeweilige Leistungsberechnung.

Verlängerung der Testphase
Ursprünglich war geplant, dass die Behörden ab Januar 2012 die durch das ELENA-Verfahren übermittelten Daten für die Bearbeitung von Arbeitslosen-, Eltern- oder Wohngeld abrufen können. Diese Testphase soll nun gemäß Beschluss der Bundesregierung um 2 Jahre bis 2014 verlängert werden. Die Entscheidung hinsichtlich der Weiterführung von ELENA wird damit der künftigen Regierung, die 2013 gewählt wird, überlassen.

Ausblick
Zurzeit ist noch nicht sicher, ob diese Verschiebung der Einführung zu einem "Sterben auf Raten" führt. Die bisher gesammelten Daten müssen nun wohl gelöscht werden, weil sie aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht bis 2014 auf Vorrat gespeichert werden dürfen.

24. Information über Schwerbehindertenantrag innerhalb von 3 Wochen nach Kündigung

Rechtslage
Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers muss mit Zustimmung des Integrationsamtes erfolgen. Fehlt diese Zustimmung, ist die Kündigung unwirksam. Regelmäßiges Problem ist, dass der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung nichts weiß und eine Kündigung in dem Glauben erklärt, es liege keine solche vor. Auch diese Kündigung ist unwirksam. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat jetzt zur Informationspflicht des Mitarbeiters entschieden.

Sachverhalt
Der Klägerin war durch den beklagten Arbeitgeber formell und materiell wirksam betriebsbedingt gekündigt worden. Dass eine Schwerbehinderung vorlag, war dem Arbeitgeber und auch dem beteiligten Betriebsrat nicht bekannt. In ihrer Kündigungsschutzklage legte die Klägerin die Schwerbehinderung erstmals offen. Die Zustellung der Kündigungsschutzklage erfolgte mehr als 3 Wochen nach dem Zugang der Kündigung. Mit ihrer Klage machte sie den besonderen Schwerbehindertenkündigungsschutz geltend und unterlag.

Entscheidung
Das Gericht urteilte, dass sich die Klägerin nicht auf den Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderte berufen könne. Zwar stehe der Sonderkündigungsschutz schwerbehinderten Arbeitnehmern auch dann zu, wenn der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung nichts von der Schwerbehinderung wisse. Hierfür müsse der Arbeitnehmer den Arbeitgeber aber nach Zugang der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist über seine Schwerbehinderteneigenschaft informieren. Die angemessene Frist entspricht dabei der Frist für die Kündigungsschutzklage, beträgt also 3 Wochen. Geht dem Arbeitgeber die Information über die Schwerbehinderung später zu, ist der Arbeitnehmer vom Sonderkündigungsschutz ausgeschlossen.

Konsequenz
Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie jedenfalls am Ende des Arbeitsverhältnisses für Klarheit sorgt. Die Nachricht über die Schwerbehinderung muss unmittelbar an den Arbeitgeber erfolgen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; die Revision ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig.

25. Deutscher Gerichtsstand für Schadensersatzklage gegen schweizerischen Vermögensverwalter

Kernaussage
Macht ein deutscher Anleger Schadensersatzansprüche gegen einen schweizerischen Vermögensverwalter geltend, so ist hierfür nach dem Übereinkommen von Lugano (LugÜ) ein deutscher Gerichtsstand begründet. Dies gilt auch für Ersatzansprüche, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen, wenn diese eine so enge Verbindung zu dem Vertrag aufweisen, dass eine Trennung unnatürlich erscheint.

Sachverhalt
Der in Deutschland wohnende Kläger verlangt von der Beklagten, einer in Zürich residierenden Aktiengesellschaft, Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Vermögensverwaltung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 32 KWG). Im Herbst 1997 wurde er mehrfach telefonisch auf die Dienste der Beklagten aufmerksam gemacht, die nicht über eine notwendige Erlaubnis verfügte (§ 32 Abs. 1 Satz 1, § 64e Abs. 2 Satz 2 KWG). Im März 1998 unterzeichnete der Kläger in seiner Wohnung einen "Vermögensverwaltungsauftrag" sowie einen "Zeichnungsschein mit Wiederanlageauftrag" für ein "Schweizerisches Sicherheitspaket für den Mittelstand". Er zahlte 2.000 DM für die Bearbeitung. Im Juni 1998 unterschrieb er die gleichen Unterlagen in Zürich und übergab 25.000 DM zur Anlage durch die Beklagte. Als Gerichtsort war wie zuvor Zürich vorgesehen. Im Jahr 2006 kündigte der Kläger das Vertragsverhältnis bei einem Kontostand von 470 EUR und verlangt nun den Differenzbetrag zur aufgebrachten Summe. Das LG gab der Klage statt. Das OLG wies sie ab.

Entscheidung
Der BGH gab dem Kläger Recht. Es besteht eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die sich daraus ergibt, dass der internationale Gerichtsstand für Verbrauchersachen anzuwenden ist (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 2. Alt. LugÜ). Hiernach darf ein Verbraucher eine Klage aus einem Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung in seinem Wohnsitzstaat erheben, wenn sich die Klage auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu dem Vertrag aufweist, dass sie nicht von ihm getrennt werden kann. Der gesetzliche Schadensersatzanspruch (§ 823 Abs. 2 i. V. m. § 32 KWG) hat die für die Bejahung des Verbrauchergerichtstandes geforderte enge Verbindung. Denn der Kläger verlangt als Verbraucher den Ersatz des überlassenen Geldes auf Grundlage eines Vertrags, den die Beklagte wegen eines gesetzlichen Verbots nicht habe abschließen dürfen.

Konsequenz
Diese Entscheidung entspricht dem Schutzzweck der Verbraucherschutznormen, wonach Verbraucher als wirtschaftlich schwächere und rechtlich weniger erfahrene Vertragspartner schutzwürdig sind. Die Wahrnehmung ihrer gerichtlichen Rechte soll nicht durch die Verweisung an ein ausländisches Gericht erschwert werden.

26. Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter ist erfolgsneutral

Einführung
Durch eine Kapitalerhöhung kann eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital aufstocken. Eine Form der Kapitalerhöhung ist die bedingte Kapitalerhöhung, deren Durchführung an die Ausübung von Umtausch- oder Bezugsrechten auf neue Aktien geknüpft ist. Da unklar ist, ob und in welchem Umfang die Berechtigten von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen, bleibt zunächst auch offen, um welchen Betrag sich das Grundkapital letztendlich erhöht.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine börsennotierte Aktiengesellschaft, beschloss, ihr Grundkapital bedingt zu erhöhen. Die bedingte Kapitalerhöhung diente ausschließlich der Gewährung von Bezugsrechten an Mitarbeiter der AG und sollte nur insoweit durchgeführt werden, wie die Inhaber der ausgegebenen Bezugsrechte von ihrem Bezugsrecht Gebrauch machten. Die AG schloss mit den bezugsberechtigten Mitarbeitern entsprechende Verträge ab, wonach u. a. die Gewährung der Bezugsrechte unentgeltlich erfolgte und das Bezugsrecht frühestens nach einer Wartezeit von 2 Jahren ausgeübt werden konnte. Die Klägerin behandelte die Einräumung der Bezugsrechte in ihrem Jahresabschluss dergestalt, dass sie den Gesamtwert der gewährten Optionen gleichmäßig auf die Wartezeit von 2 Jahren verteilte und dabei den entsprechenden Betrag als Personalaufwand erfasste und in gleichem Umfang der Kapitalrücklage zuführte. Das beklagte Finanzamt erkannte den Ansatz als Personalaufwand und Kapitalrücklage nicht an.

Entscheidung
Der BFH folgte der Auffassung des Finanzamtes. Eine Zuführung zur Kapitalrücklage setzt voraus, dass ein entsprechender Betrag von den Gesellschaftern an die Gesellschaft geleistet wurde. Eine Zuwendung aus dem Vermögensbereich der (Alt)-Aktionäre in das Gesellschaftsvermögen hat aber zweifelsfrei nicht stattgefunden. Auch eine Zuwendung der Mitarbeiter als (zukünftige) Gesellschafter liegt nicht vor, da die bezugsberechtigten Mitarbeiter die Optionsrechte unentgeltlich erhalten und zu ihrem Erwerb nicht auf einen Gehaltsanspruch verzichtet haben. Die Ausgabe der Aktienoptionen wirkt sich im Ergebnis ausschließlich als Vermögensverlust bei den Altaktionären aufgrund der sog. Verwässerung des Werts der bisher vorhandenen Aktien aus. Dadurch wird die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft nicht berührt. Der Geschäftsvorfall ist somit erfolgsneutral zu behandeln.

Konsequenz
Die von der Klägerin angewandte Bilanzierungspraxis fußte auf den Vorschriften der internationalen Rechnungslegung. Der BFH, wie auch die Vorinstanz, betonten in ihrer Urteilsbegründung, dass die internationalen Standards rechtlich nichts mit der steuerlichen Gewinnermittlung zu tun haben. Der Abschluss nach den internationalen Rechnungslegungsstandards ist losgelöst von nationalen Vorschriften und mithin für die Besteuerung unmaßgeblich.

27. Keine personenbedingte Kündigung bei Problemen im Umgang mit anderen

Kernfrage
In seltenen Einzelfällen kann das Fehlverhalten von Arbeitnehmern gegenüber Kunden, Kollegen oder Vorgesetzten eine Kündigung rechtfertigen. In der Regel wird aber zuvor eine Abmahnung erforderlich sein. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein verhaltens- oder personenbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Über diese Abgrenzung hat nun das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden.

Sachverhalt
Die Klägerin war 13 Jahre bei der beklagten Kommune, zuletzt als Leiterin mehrerer Kindertagesstätten, beschäftigt. In den ersten 10 Jahren kam es zu keinerlei Beanstandungen. Zuletzt kam es aber zu Problemen der Klägerin mit Vorgesetzten, Mitarbeiterinnen und Eltern. Nach dem Scheitern eines Mediationsverfahrens sprach die Beklagte gegenüber der ordentlich unkündbaren Klägerin eine außerordentliche personenbedingte Änderungskündigung aus. Hiergegen klagte die Arbeitnehmerin und obsiegte.

Entscheidung
Das Gericht urteilte, dass die Kündigung mangels ausreichend dargelegter Kündigungsgründe in der Person der Klägerin unwirksam sei. Der Kern der von der Beklagten aufgezeigten Vorwürfe liege nicht in der Person, sondern im Verhalten der Klägerin. Diese Umstände könnten jedoch mangels vorheriger Abmahnung der Klägerin nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen werden. Eine Umstellung der Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe scheitere an formellen Gründen.

Konsequenz
Hat ein Arbeitnehmer Probleme im Umgang mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden, so rechtfertigt dies in aller Regel keine personenbedingte (Änderungs)Kündigung. Der Kern derartiger Vorwürfe liegt in der Regel im Verhalten des Arbeitnehmers, so dass regelmäßig nur eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommt, die aber grundsätzlich eine Abmahnung voraussetzt.

28. Abgrenzung zu "Emmely": Rechtfertigung für fristlose Kündigung

Kernfrage
Bis zur viel besprochenen "Emmely"-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in diesem Jahr war es ein arbeitsrechtlicher Grundsatz, dass die Straftat eines Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses eine sofortige fristlose Kündigung rechtfertigt. Diesen Grundsatz hat das Bundesarbeitsgericht aufgeweicht und für diese Fälle eine Interessenabwägung für erforderlich erachtet, bei der zugunsten des Arbeitsnehmers insbesondere eine lange Betriebszugehörigkeit berücksichtigt werden muss. Das Arbeitsgericht Berlin hat jetzt - wenigstens in erster Instanz - eine erste Abgrenzungsentscheidung getroffen.

Sachverhalt
Der seit 17 Jahren als Verkäufer mit Kassentätigkeit beschäftigt Kläger geriet in Verdacht, in 2 Fällen manuell Pfandbons erstellt zu haben, ohne dass dem ein tatsächlicher Kassiervorgang gegenüber gestanden hätte. Ferner bestand der Verdacht, er habe das entsprechende Geld an sich genommen. Die Schadenshöhe belief sich auf 6,06 EUR. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber dem Kläger fristlos. Mit seiner Kündigungsschutzklage unterlag dieser in erster Instanz.

Entscheidung
Das Gericht sah den dringenden Verdacht, dass der Kläger Pfandbons erstellt habe, um sich persönlich zu bereichern, als gegeben an. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung sei zwar die langjährige Betriebszugehörigkeit insbesondere nach der "Emmely"-Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Maßgeblich sei aber, dass der Kläger als Verkäufer mit Kassiertätigkeit im originären Kernbereich seiner Tätigkeit derartige dringende Verdachtsmomente gesetzt habe, so dass trotz geringer Schadenshöhe gegen den Arbeitnehmer zu entscheiden war.

Konsequenz
Die Entscheidung legt einen Vergleich mit der "Emmely"-Entscheidung nahe. Erstes Abgrenzungsmerkmal hierzu dürfte sein, dass der Arbeitnehmer in diesem Fall ein deutlich höheres Maß an krimineller Energie an den Tag gelegt hat; denn in der "Emmely"-Entscheidung hatte die Arbeitnehmerin Kundenbons eingelöst.

29. Veröffentlichungspflicht von EU-Agrarbeihilfeempfänger

Kernaussage
Bislang haben die EU-Mitgliedsstaaten jedes Jahr nachträglich Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft sowie dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums veröffentlicht. Dies erfolgte durch Nennung des Begünstigten, seiner Niederlassung bzw. seines Wohnorts mit Postleitzahl sowie durch Angabe der aus dem Fonds erhaltenen Jahresbeträge.

Sachverhalt
Gegen die Veröffentlichung der sie betreffenden Daten haben vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden 2 Landwirte Klage erhoben und begehrt, das Land Hessen zu verpflichten, die Veröffentlichung zu unterlassen. Insbesondere vor dem Hintergrund des nicht gerechtfertigten Eingriffs in das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten ersuchte das Verwaltungsgericht den Europäischen Gerichtshof, die Gültigkeit der Bestimmung zu prüfen.

Entscheidung
Der EuGH sieht in der Veröffentlichungspflicht eine Verletzung der Achtung des Privatlebens im Allgemeinen. Durch Veröffentlichung der Namen der Mittelempfänger sowie der Höhe der erhaltenen Beträge können auch Dritte die Daten ohne Zugangsbeschränkungen einsehen. Diese Tatsachen überwiegen derart, dass das Schutzbedürfnis nicht durchbrochen werden darf. Damit sind die veröffentlichten Daten in der bisherigen Form unverhältnismäßig, so dass einer öffentlichen Information über die Verwendung von Steuergeldern widersprochen werden muss.

Konsequenz
Damit beschränkt der EuGH die Veröffentlichung der Empfänger von EU-Agrarhilfen. Das Urteil hat Wirkung ab dem Tag der Verkündigung. Zurückliegende Veröffentlichungen sollen demnach nicht in Frage gestellt werden.

30. Änderungen von Versorgungsverträgen müssen schriftlich erfolgen

Kernfrage
Gerade bei Gestaltungen der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt die Übertragung von Vermögen auf die nächste Generation zur Versorgung der Übergeber gegen vertraglich vereinbarte Versorgungsleistungen, die der Empfänger leisten muss. Diese Versorgungsleistungen sind beim Erwerber unter Umständen ertragsteuerlich als Sonderausgaben abziehbar. Der Bundesfinanzhof hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob der Sonderausgabenabzug gefährdet ist, wenn die vertraglich vereinbarten Versorgungsleistungen zwischen den Parteien (formlos) abgeändert werden.

Sachverhalt
Der Kläger hatte insbesondere ein Unternehmen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Zahlung einer monatlichen Rente von den Eltern erhalten, die nach dem Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen abänderbar war. Obwohl der Kläger wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten über knapp 2 Jahre keine Rentenzahlungen leistete, machte er die Versorgungsleistungen als Sonderausgaben steuerlich geltend. Das beklagte Finanzamt erkannte diese Praxis nicht an, weil die Änderung der vertraglichen Versorgungsleistungen willkürlich erfolgt sei. Das Finanzgericht in erster Instanz gab dem Kläger zunächst Recht, weil die wirtschaftlichen Schwierigkeiten einer willkürlichen Abänderung entgegen stünden, wurde aber vom Bundesfinanzhof korrigiert.

Entscheidung
Zwar ließ es der Bundesfinanzhof zu, dass die Aussetzung vereinzelter Zahlungen von Versorgungsleistungen nicht zur Versagung des Sonderausgabenabzugs führen könne, soweit wenigstens durch tatsächliches Verhalten (konkret zeitnahe Wiederaufnahme und Fortsetzung der Zahlungen) erkennbar sei, dass die Parteien an der Vereinbarung festhalten wollten. Bei einer "Aussetzung" der Zahlungen über einen längeren Zeitraum hinweg sei es aber erforderlich, dass eine schriftliche Vereinbarung über die Änderungen in den Versorgungsleistungen vorliege. Anderenfalls müsse der Sonderausgabenabzug versagt werden.

Konsequenz
Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs wird man sicherheitshalber jede Art der Veränderung in Versorgungsleistungen schriftlich fixieren müssen, um die steuerliche Anerkennung nicht zu gefährden.

31. AGB-Kontrolle: Pauschale Abgeltung von Überstunden kann unwirksam sein

Kernfrage
Die Vergütung von Überstunden ist häufiger Streitpunkt in Arbeitsverhältnissen. Insbesondere ist streitig, ab welchem Umfang und in welcher Form Überstunden zu vergüten sind. Häufig enthalten Arbeitsverträge daher Klauseln, die die Überstundenvergütung oftmals in pauschaler Form regeln sollen. Über eine solche Klausel hatte das Bundesarbeitsgericht in einer jüngeren Entscheidung zu befinden.

Sachverhalt
Der Kläger erhielt ein monatliches Bruttogehalt von 3.000 EUR. Hierzu sah der Standard-Arbeitsvertrag des Arbeitgebers folgende Klausel vor: "Das Bruttogehalt bezieht sich auf 45 Arbeitsstunden wöchentlich. Davon sind 38 Normalstunden und 7 Mehrarbeitsstunden (…). Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten." Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wies das Arbeitszeitkonto des Klägers ein Guthaben von 102 Stunden aus, die der Kläger ausgezahlt zu bekommen verlangte. Zuletzt gab dem Kläger das Bundesarbeitsgericht Recht.

Entscheidung
Das Gericht urteilte, zwar sehe der Arbeitsvertrag vor, dass etwaige Überstunden bereits mit dem regulären Monatsgehalt abgegolten seien. Diese Vertragsklausel sei jedoch unklar und missverständlich. Eine pauschale Überstundenklausel könne nur dann Bestand haben, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was "auf ihn zukomme" und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen müsse. Diesen Anforderungen genüge die konkrete Klausel nicht.

Konsequenz
Mit der Entscheidung setzt das Bundesarbeitsgericht erste Maßstäbe an die Konkretisierung von Überstundenklauseln. Zum einen darf eine Überstundenvergütung nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Zum anderen muss hinreichend deutlich werden, welche Maximalarbeitszeit für das feste Grundgehalt zu leisten ist.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de